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PACTES_logoPACTES: „Soziale Unternehmen“ in Europa fördern

Start des LEONARDO-Projektes war Januar 2012. Gemeinsam mit Partnern aus Marseille, Brüssel und Madrid arbeitet der LOK e.V. daran, Methoden in der Beratung und Begleitung von Einzelunternehmer/innen oder „Kollektiven“ der Sozialen Ökonomie auf lokaler Ebene zu optimieren.
Soziale Ökonomie war bisher für LOK ein Thema von vielen, eine nicht besonders thematisierte Selbstverständlichkeit, denn wir bewegen uns als Gründungs- und Unternehmensberatung seit Jahren in sozialen Handlungsfeldern.

Wir setzen uns ein für eine sozialverträgliche, wirtschaftliche Entwicklung, wenn wir

  • Gründungen aus der Arbeitslosigkeit begleiten
  • junge Menschen dabei unterstützen, ihren beruflichen Weg zu finden, indem sie über die Arbeit an einer Geschäftsidee, ihre Potenziale und Interessen erkennen und in eigene Projekte übersetzen
  • die persönliche Lebensbiografie mit all ihren informellen Kompetenzen zur Grundlage des Beratungsprozesses machen
  • kleine Unternehmen vor Ort und Einzelkämpfer/innen in der Kreativwirtschaft beraten und begleiten, damit sie zum einen das Einkommen für sich und ihre Familien sichern können und zum anderen mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass Vielfalt an kleinteiligen und wohnortnahen Dienstleistungen und eine kulturelle „Melange“ erhalten bleibt oder entsteht
  • uns für Standortentwicklung und Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur in sozial benachteiligten Quartieren engagieren bzw. Gentrifizierungsprobleme thematisieren
  • Vereine und Initiativen unterstützen, sich wirtschaftlich zu entwickeln.

Seit einiger Zeit jedoch wird so viel geredet und geschrieben über soziales Unternehmertum, über Social Entrepreneurs, über social business, über soziale Ökonomie, so dass wir uns unweigerlich fragen mussten: Was ist eigentlich gemeint mit „Sozialen Unternehmen“? Wie definieren wir Soziale Unternehmen? Ist LOK ein Social Business?

Die Fragen sind berechtigt, denn es gibt sie nicht, die eine Definition in Deutschland – es sind viele Definitionen zu finden von vielen Akteuren. Nicht nur die EU diskutiert das Thema (European Commission „ Social Ecomoy an social entrepreneurship “, Social Europe guide / Volume4 ISSN 1977-2343) und legt hier einen Förderschwerpunkt in der neuen EU Förderperiode.

Auch Medien greifen zunehmend das Thema auf und es wird die Frage gestellt, „womit soziale Gründer Geld verdienen“, etwa Jens Tönnensmann in seinem Beitrag in der Zeit online vom 13. Juni 2013. Jens Tönnemann beschreibt Soziale Ökonomie so: „Klimawandel, Pflegenotstand, ungleiche Bildungschancen: Soziale Unternehmen lösen gesellschaftlicher Probleme und machen nebenbei auch noch Profit damit“.

Ist diese Definition vollständig? Denn als soziale Unternehmen verstehen sich auch nicht wenige, die in klassischen Feldern der Jugendhilfe und Sozialarbeit unterwegs sind oder Weiterbildung und Beratung von Arbeitslosen anbieten und sich vorrangig mit öffentlichen Förderprogrammen und Spenden finanzieren.

Unsere französischen, belgischen und spanischen Partner haben eindeutigere Bedingungen für Soziales Unternehmertum, die auch erst einmal einleuchtend erscheinen: soziale und nachhaltige Geschäftsfelder (schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen, gesellschaftliche und soziale Ziele), partizipative Unternehmensführung, Profit erwirtschaften ja, aber die Gewinne müssen reinvestiert werden.

„Verstehe ich nicht“, erwidert uns dann eine mittelständische Berliner Unternehmerin, „ich investiere meine Gewinne in mein Unternehmen, finanziere mich damit selbst, erhalte und schaffe Arbeitsplätze, bilde aus, fühle mich verantwortlich für gute Arbeitsbedingungen, produziere nicht in China, engagiere mich in meinem lokalen Umfeld, spende für soziale Einrichtungen ….ist das nicht sozial und wichtig für die Gesellschaft und für ihren Zusammenhalt? Bin ich nun ein soziale Unternehmerin oder nicht?“

Was ist dagegen mit den Bioläden? In Frankreich sind Bioläden ohne Frage Unternehmen der l’ESS. Sehen wir das hier auch so? Es werden zwar Produkte verkauft, die ressourcenschonend hergestellt wurden, aber wird ein Bioladen unbedingt gemeinschaftlich geführt und alle Gewinne reinvestiert? Ist partizipative Führung und Reinvestition aller Gewinne eigentlich ein „gutes“, „das bessere“ Prinzip?

Wie weit ist die „normale“ Wirtschaft, sind Unternehmen denn eigentlich von ihrem sozialen Auftrag entfernt, mit ihren Produkten für den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen verantwortlich zu sein, gleichzeitig ihren Arbeitnehmer/innen ein menschenwürdiges Einkommen und soziale Arbeitsverhältnisse zu gewährleisten und somit letztlich Rückhalt des Zusammenlebens zu sein, so dass man sie abgrenzen muss zu „Sozialen Unternehmen“?

Folgt der Boom, der sich auch in den aktuellen Debatten und Förderprogrammen der EU widerspiegelt, nicht letztlich vor allem dem Zeitgeist einer (jungen) Generation, die grundsätzlich anders wirtschaften möchte? Wo es nicht unbedingt um Abgrenzung zur normalen Wirtschaft und um besondere Förderprogramme oder Steuererleichterungen gehen sollte, sondern primär um die Definition von gesellschaftlichen Werten, um die Rück- oder auch Neubesinnung, welche Rolle und Funktion unternehmerisches Handeln in einer Gesellschaft haben sollte?

Die Definitionen, was ein/e Sozialunternehmer/in ist, sind, wie gesagt, sehr vielfältig, die Motive und Aktivitäten von „sozialen“ Unternehmen ebenfalls. Aus unserer Sicht kann und sollte es daher nicht darum gehen, die eine Definition für Soziales Unternehmertum zu finden und daraus eine Handlungsstrategie zu entwickeln für Unterstützungssysteme, Beratungsanforderungen, Förderprogramme oder Unternehmensfinanzierung. Wichtiger ist uns, ein Stück weit Transparenz in der Vielfalt zu schaffen und die Bedeutung gesellschaftlicher Werte im Zusammenhang mit Ökonomie offen zu diskutieren – gerade auch mit Blick auf Europa.

Mit dem Projekt PACTES, das aus Mitteln des EU-Programms LEONARDO und auf nationaler Ebene von der Stiftung Pfefferwerk finanziell unterstützt wird, gehen wir einen praktischen Weg des Austausches und der Annäherung zwischen v.a. jungen Menschen, die sich als Sozialunternehmer/innen verstehen, mit Gründungs- und Unternehmensberater/innen, die bereits in diesem Feld arbeiten oder in diesem Feld arbeiten möchten.

Mit ihnen und vielleicht auch bald mit Ihnen suchen wir Antworten auf unsere Fragen nach dem Grundsätzlichen, dem System, den Wertvorstellungen und vor allem danach, worin denn der wesentliche Unterschied besteht zwischen „sozialen“ Unternehmer/innen und „Sozial-Unternehmer/innen“.

Mehr Informationen auch auf der facebookseite von PACTES

Ansprechpartner/innen bei LOK
Maria Kiczka-Halit     maria.kiczka-halit@lok-berlin.de / 030.297 797 31
Oliver Hirsch             oliver.hirsch@lok-berlin.de /030.297 797 33